Fray Bentos
Geschrieben von Timo
Auch an dem vermeintlich produktivsten Tag unserer Weltreise bisher klingelte der Wecker wieder bevor die Uhr Fünfe geschlagen hatte. In der zuletzt häufig trainierten Routine packten wir unsere Sachen zusammen und liefen eine halbe Stunde durch die Dunkelheit von Salto. Zu Beginn der Reise wäre das aus Sicherheitsbefürchtungen meinerseits schwer denkbar gewesen, inzwischen ist es gar kein Problem mehr. Da Franzi heute schon wieder wesentlich fitter war als die letzten Tage, waren auch die 2,3 km zum Terminal mit Bagpack kein Problem.
Zum Sonnenaufgang schliefen wir im Bus und nach ca. 4 Stunden wachten wir in Fray Bentos, einem 25.000 Einwohner Städtchen am Río Uruguay wieder auf. Den Zwischenstopp auf dem Weg zu Montevideo haben wir nur eingeplant, da wir uns zum Ziel genommen haben möglichst alle UNESCO Welterbe entlang des Weltreisepfades zu besichtigen. So hatte ich mich auch auf die Reise vorbereitet, um zu überblicken was man in der weiten Welt alles besichtigen kann. Da wir nur das Welterbe besichtigen wollten und noch nicht wussten wie lange es dauern würde, hatten wir noch keine Unterkunft für die Nacht und keinen weiteren Bus nach Montevideo gebucht. Wie sich später herausstellte genau die richtige Entscheidung.
In Fray Bentos angekommen, nahmen wir den öffentlichen Bus, der zum Glück irgendwann kam, und fuhren mit einem riesigen Umweg ins Barrio Anglio von Fray Bentos. Hier stand von 1863 bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine Fleischverarbeitungsfabrik mit Arbeitern aus allen erdenklichen Ländern der Welt. Basieren tat alles auf der Nahrungsmittelforschung von Julius Liebig, einem Deutschen, der etwas über die Bestandteile vom Essen herausfand und wie man diese konservieren kann. Später industrialisierte ein Deutscher Ingenieur das Konzept, in dem er eine Fabrik in Uruguay am Río Uruguay baute in der Rinder und Schafe zu Corned Beef und anderen langlebigen Fleischprodukten verarbeitet wurden inklusive vieler Nebenprodukte. Sehr bekannt wurde das spätere Produkt "OXO", das Soldaten in den Schützengräben des 1. Weltkriegs für eine Warme Suppe nutzten, oder die Antarktikexpedition um Scott oder Sir Edmund Hillary und Co auf dem Mount Everest. Selbst Jule Vernes Protagonisten nahmen OXO mit auf ihre fiktive Reise ins Weltall. Um es herzustellen wurden 32kg Rindfleisch zu 1kg haltbarem Rindfleisch verarbeitet. Zum Zeitpunkt des 1. Weltkrieges hieß die Fabrik auch nicht mehr "Liebig", sondern "Anglo", da sie von Britischen Geldern finanziert war und die Allierten im Krieg gegen die Deutschen unterstützte. Jeglicher Kontakt zu Deutschen wurde in der Außendarstellung gemieden. Spannend fand ich auch, dass OXO als eines der ersten Produkte gilt, um "der Frau zu helfen weniger Zeit in der Küche zu verbringen". Das wurde als großer PR- Erfolg dargestellt, der viele Nachahmer fand.
All diese Informationen gab es in einem Museum in der alten Dünger Lagerhalle direkt neben der großen Gefrierhalle der Fabrik. Nach dem Besuch des Museums sind wir noch an den alten Anlagen vorbeigegangen, u.a. einem alten, kaputten Holzpier, an dem wohl die Produkte in die Welt hinausgeschickt wurden, der riesigen Gefrierhalle, den Maschinenhallen, sowie der Schlachthalle. In dieser hing noch die Schnur mit den Eisenhaken an der die Rinder direkt nach ihrem Tod ausbluteten und dann für die weiteren Prozessschritte weiter transportiert wurden.
Franzi als Tierliebhaber und gleichzeitig leidenschaftlicher Fleischfresser fand das schon sehr belastend und auch ich, der sehr gerne Fleisch isst, freue mich immer, wenn man den Teil zwischen dem Rind auf der Wiese und dem Steak auf dem Teller nicht so genau beleuchtet. Nichts desto trotz gehört dieser auch mit zur Wahrheit. Ich hoffe das niemand diese Verbindung als unangemessen empfindet, aber mich hat der Besuch in der Schlachthalle etwas an meinen Besuch im September in Auschwitz erinnert. Abgesehen davon, dass es sich um Tiere und nicht Menschen handelt und die "Täter" den Mord nicht des Mordes wegen sondern des Nutzens wegen vollführten, so handelt es sich dennoch in beiden Fällen um eine industrielle Massenvernichtung von Lebewesen. Vielleicht wird man irgendwann auch auf die Menschheit zurückblicken und ihr Verhalten gegenüber den Tieren verurteilen. Nichts desto trotz reicht es für mich persönlich nicht aus dafür meinen Fleischkonsum zu ändern. Ich mag Fleisch einfach zu gerne dafür, dass ich zum Wohl der Tiere darauf verzichten würde. Vielleicht ändert sich das aber nochmal. Franzi denkt da auch ähnlich.
Zum Abschluss haben wir noch die Julius Liebig Statue angesehen, die für die Weltausstellung in Paris 1890 gefertigt wurde. Diese zeigt die Anglo Fabrik auf den Schultern der Rinder. Sehr treffende Bilder.
Zum Abschluss bestellte uns die nette Dame im Visitor Center noch ein Taxi zurück zum Terminal. Wir hatten unser Gepäck während des Besuches im Visitor Center lagern können, dass erst letztes Jahr eröffnet worden war. Es hatte auch einige fancy Infotafeln mit Touchpads und Infoscreens zu bieten. Da sind die UNESCO Gelder gut angelegt.
Jetzt fahren wir gerade weiter nach Montevideo. Heute Abend haben wir dann 500 km hinter uns gebracht an einem Tag und sogar noch im vierten Land unserer Reise das vierte Welterbe angeschaut. Ein sehr produktiver Tag! :)
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Papi (Freitag, 14 Februar 2020 12:48)
Meinst du Julius Cäsar oder Justus von Liebig?
Timo (Freitag, 14 Februar 2020 13:00)
Ich habe gerade nochmal recherchiert und es handelt sich tatsächlich um Justus Freiherr von Liebig. Julius Cäsar starb bereits 44 v.Chr. durch einen Dolchstich, so dass er nicht in die Gründung der Fabrik 1863 involviert gewesen sein kann. Vielen Dank für den Hinweis an die Redaktion :)