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Tag 1 – Bis ans Ende der Welt – und noch viel weiter!

Ushuaia / Beagle-Kanal

geschrieben von Franzi

Nach dem Frühstück machten wir uns auf, um unser Gepäck am Hafen abzugeben. Danach ging‘s in ein recht schickes Hotel, wo wir erneut Formulare ausfüllen mussten.  

Da wir zwischenzeitlich etwas Zeit zu überbrücken hatten, schlenderten wir am Hafen entlang, beobachteten Vögel und Schiffe, versuchten zu erraten, welches unseres sei und Timo klärte mich mithilfe des Internets über das Schicksal der Monte Cervantes auf sowie über das ebenso tragische Ende des Schleppers Saint Christopher, der beim Bergungsversuch der Monte Cervantes beschädigt wurde und dessen Wrack bis heute prominent an Ushuaias Küste platziert ist. 
Tatsächlich ergatterten wir auch einen ersten Blick auf unser schwimmendes Zuhause für die nächsten Wochen.

Gegen Nachmittag fanden wir uns am Busterminal ein, nur wenige hundert Meter vom erspähten Schiff entfernt. Uns wurde ein Bus zugeteilt und schon drehten wir eine etwas merkwürdige, weiträumige Runde durch all die Einbahnstraßen inmitten des dichten Verkehrs. 

Was zu Fuß fünf Minuten gedauert hätte, kostete uns so eine halbe Stunde. Scheinbar haben die Argentinier geordneten Busverkehr am Pier lieber als wild durcheinanderlaufende Kreuzfahrttouristen. Immerhin handelt es sich ja um eine internationale Grenze. Von dem Papierkram kriegen wir aber nichts mit. Darum kümmert sich nun das Expeditions-Team Quark. Tatsächlich mussten wir unsere Pässe abgeben und werden sie erst am Ende der Reise wiedersehen.

Und plötzlich war es so weit und wir standen auf der Gangway. Es fühlte sich mindestens so großartig an, wie das ZDF einen immer glauben lassen will. Im Schiff ging es direkt in eine helle, einladende Lounge, in der viele Leckereien bereitstanden.

Da wir zum Frühstück nur etwas Brot mit Dulce de Leche hatten, machten wir uns mit Begeisterung über die frittierten Scampi her und genossen dazu einen heißen Tee. Die Sitzecken waren weihnachtlich geschmückt und etwas kitschige Tannenbäume ließen das erste Mal etwas Weihnachtsfeeling aufkommen. Ich verdrückte eine Träne. Wir waren an Bord. Wir hatten es geschafft!

Nach kurzem Check-In hielten wir unsere Kabinenkarten, eingeschlagen in einen geschmeidigen Kartenhalter, in Händen. Selbstverständlich war unser Gepäck in die Kabine gebracht worden, wir mussten keinen Finger rühren. Auf dem Balkon standen zwei Stühle und ein Tischchen, fest zusammengezurrt. Eine Vorwarnung bzgl. des zu erwartenden Seegangs?

Die Kabine war gut geschnitten. Es gab ein kleines Sofa mit Beistelltischchen, einen Schreibtisch, ein großes Doppelbett und jede Menge Stauraum. Viele Spiegel und der sich durchziehende helle Farbton ließen den Raum größer wirken. In der Dusche konnte man wählen zwischen einem normalem Duschkopf, einer Regendusche, Massagedrüsen von der Seite oder einer Mischung. Ich hatte wahrlich schon schlechter geduscht.

Viel Zeit zum Umschauen blieb aber nicht. Es ging direkt zum ersten Briefing. Es wurde allerhand zu den Abläufen erklärt und insbesondere, was in einem Notfall zu tun sei. Im Anschluss folgte eine Übung. Jeder musste seine Schwimmweste aus der Kabine holen, sie korrekt anlegen und sich im zugewiesenen Bereich aufstellen. Kaum zu glauben, dass all diese Menschen in zwei Rettungsbote passen sollen. Ich hoffe, dass sich jemand das gut überlegt hat. Die Übung war jedenfalls sinnvoll. Meine Weste schloss nicht korrekt, konnte aber von drei eifrigen Mitarbeitern gleichzeitig zufriedenstellend repariert werden.

Und schon legten wir ab. Wir flitzten aufs hintere Deck und beobachteten, wie Ushuaia in der tiefen Nachmittagssonne hinter uns immer kleiner wurde. Ushuaia bezeichnet sich selbst gerne als das Ende der Welt. Auch viele Reisende, dir wir unterwegs nach ihren Reiseplänen fragten, meinten, nach Ushuaia käme ja nichts mehr. Das sahen wir anders, wir wollten ans Ende der Welt und darüber hinaus! Das Abenteuer konnte beginnen!

Wir gönnten uns einen Kaffee, bevor es direkt weiterging. 

Wir mussten die bestellten Jacken anprobieren. Ich hatte XXL ausgewählt. Da passten mindestens noch zwei fette Pullis drunter. Timo beäugte mich etwas irritiert, während ich glücklich in meiner Jacke versank.

 

Danach schlossen wir uns einer Schar verunsicherter Menschen rund um Dr. Leslie an. Sie erklärte alles Mögliche rund um Seekrankheit und verteilte munter Päckchen mit rosa Pillen. Wir sicherten uns welche.

 

Völlig geschafft und rundum zufrieden zogen wir uns auf unseren Balkon zurück, von wo aus wir einen herrlichen Blick über den Beagle-Kanal hatten. 

Wir bemerkten gar nicht, dass alle anderen schon längst beim Essen waren. Bisher gab es für jeden Programmpunkt eine durchklingende Ansage eines stets überschwänglich motivierten Crew-Mitglieds. Offenbar nicht so fürs Abendessen.

Hungrig fanden wir den Weg ins Restaurant. Es gab ein Fünf-Gänge-Menü mit diversen Wahloptionen. Wow. Und das fast drei Wochen lang. Wir fühlten uns im Luxushimmel angekommen. 

 

Wir saßen zusammen an einem Tisch mit einem Vater und Sohn. Der Vater erzählte, er habe noch einen zweiten Sohn dabei, der habe aber schon in Ushuaia gegessen und keinen Hunger.

Wie konnte man nur auf dieses Essen verzichten wollen? Zudem sollte eigentlich die ganze fünfköpfige Familie reisen, aber ein Sohn und seine Frau haben keine Lust gehabt. Zum Glück habe er die Kabinen noch canceln können. Okay, keine Lust aufs Essen ist das eine, aber wie kann man keine Lust auf diese Reise haben? Wir staunen nicht schlecht, wie verschieden Menschen sein können. Tatsächlich hatten wir uns im Vorwege auch etwas Sorgen gemacht, auf welche Art von Menschen wir bei dieser Art zu reisen stoßen würden und ob sie uns Low-Budget-Backpacker mit zwei Hosen und drei T-Shirts sehr schief anschauen würden. Auch wenn uns das Gefühl nicht loslässt, dass mindestens ein paar der Mitreisenden in einer völlig anderen Lebensrealität zu Hause sind als wir, scheinen bisher alle sehr sympathisch zu sein und niemand stört sich an uns.     
Die fünf Gänge bestanden zwar aus riesigen Tellern mit winzigen Portionen und das Essen mit vier verschiedenen Messern ist für uns noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber dennoch waren wir am Ende satt und zufrieden. 

Nach dem Essen genossen wir den herrlichen Ausblick und beobachteten, wie kleine Boote die Lotsen gen Ende des Beagle-Kanals wieder von den Expeditionsschiffen einsammelten. Spannend für uns Landratten!

Doch während ich noch gemütlich auf dem Balkon saß und die Landschaft beobachtete, wie sie in der aufziehenden Nacht an uns vorbeiglitt, wurde Timo schon wieder nervös. Ich solle meine Sachen in die Schränke einräumen, damit die Kabine hübsch und ordentlich sei. Auch wenn es mir schwerfiel, raffte ich mich auf, denn auch ich sah den Sinn darin. Am Ende dekorierte ich sogar noch ein wenig mit unseren restlichen Weihnachtskerzen und ein paar Postkarten und so schliefen wir rundum glücklich, zufrieden und endlich das erste Mal seit Tagen entspannt ein.

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Kommentare: 1
  • #1

    Mama (Montag, 16 Januar 2023 10:26)

    Das liest sich so schön . Da verdrücke ich auch eine Träne.