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Cerro Guanaco - ohne Guanakos

Ushuaia

geschrieben von Franzi

Heute waren wir im Nationalpark Tierra del Fuego in Ushuaia. Die Busse dorthin sind vergleichsweise super teuer. Wir haben uns deswegen ein Auto gemietet und den Preis mit unserem deutschen Dormroom-Mitbewohner Flo geteilt. Zudem konnten wir so schon morgens früh um 7.30 Uhr starten und dadurch den ebenfalls nicht günstigen Eintrittspreis umgehen, der erst ab 8 oder 9 Uhr gefordert wird. Darüber hinaus hatten wir natürlich auch mehr Zeit.

 

Geplant war eine Wanderung auf den Cerro de Guanaco, der mit 950 Höhenmetern Anstieg auf 6km Länge recht anspruchsvoll sein sollte. Laut Beschilderung sollte man in vier Stunden oben sein und dann vier Stunden wieder hinunter brauchen.

 

Im Auto-Mietpreis inklusive waren Hikingsticks. Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick, Charisma und Trinkgeld konnte ich sogar drei Paar besorgen. Keiner von uns hatte bisher welche verwendet, für die steilen An- und vor allem Abstiege auf Schotterpisten die uns heute begegnen sollten, erschienen sie uns aber sinnvoll.

Gegen 8.30 ließen wir das Auto an einem See zurück und begannen die Wanderung auf einem zunächst flachen Waldweg.

Es war herrlich ruhig! Oft sind leider zumeist isrealische Kleingruppen anzutreffen, denen die Natur wohl zu langweilig ist. So umdröhnt sie laute Handymukke aus mittelmäßigen Boxen. Keiner von uns vermisste die Begleitmusik.

Nach einem guten Kilometer erreichten wir eine Kreuzung. Rechts ging es den Berg hinauf, links führte der Pfad 3km am See entlang bis zur chilenischen Grenze. Wir bogen rechts ab.

 

Der Weg führte durch einen knorrigen Märchenwald langsam bergauf, vorbei ein Bächen und Wasserfällen. Uns begegneten ein paar Vögel, aber sonst weder Mensch noch Tier.

Die Bäume ächzten und knackten etwas bedrohlich über uns. Insbesondere die vielen umherliegenden umgestürzten Bäume sorgten für permanent erhöhte Aufmerksamkeit.

Als sich der Wald lichtete, konnten wir die erste Aussicht aus ungefähr halber Höhe genießen. Besonders beeindruckend war der Blick zurück auf den rechten See, an dem wir gestartet waren. Wir hatten schon ein ordentliches Stück geschafft!

Auf dem folgenden flachen Teil des Weges trafen wir das erste Mal andere Menschen. Sie gönnten sich gerade ein kleines Picknick, was uns ebenfalls Hunger auf unsere Müsliriegel machte. 

Timo suchte sich ein möglichst trockenes Fleckchen auf dem feuchten Boden. Die Bieber der Gegend holzen laut einigen Hinweisschildern zurzeit ordentlich ab und stauen die Flussläufe, was dazu führt, dass das Gebiet langsam versumpft. Dazu kam auch noch Morgentau oder nicht versickerter Regen. Ich setzte mich jedenfalls lieber auf meine Regenjacke und Flo wagte es gar nicht, sich niederzulassen.

Die restlichen zwei Kilometer führten uns eine sehr steile schroffe Schotterpiste hinauf. Spätestens jetzt waren wir sehr dankbar für die Hikingsticks!

Unser Ziel lag ganz oben auf dem Gipfel, den man ab dem "2km"-Schild bereits gut sehen konnte.

Hier trafen wir auch wesentlich mehr Menschen, da jeder bei diesem steilen Anstieg seine Geschwindigkeit zumindest etwas reduzieren musste und alle mehr Pausen einlegten. Der leitenden Provianteinteiler bei Wanderungen der Zwergenexpedition hatte an dieser Stelle allerdings noch keinen Snack vorgesehen. Kurz Luftholen musste ich trotzdem ab und zu. Zudem mussten wir uns gefühlt vier Mal umziehen, da es abwechselnd stürmisch und heiß war. Immerhin blieben wir vom Regen verschont, den wir zwischenzeitlich schon erwartet hatten. Irgendwoher kam aber trotz zumeist dichter Wolkendecke und 65er Sonnencreme ein Sonnenbrand. Komisch...

 

Und dann waren wir oben!

Etwas irritiert waren Flo und ich dann, als Timo plötzlich auf die Knie ging. Flo machte gerade ein paar Fotos von uns und wusste nicht mehr so recht, was er jetzt tun sollte. Auch ich war etwas überfordert.

Offenbar wollte Timo aber nur bildlich darstellen, wie stolz er auf mich war, dass ich als bisher unerfahrene Wanderin, diesen schwierigen Anstieg so gut gemeistert hatte. Denn in der Tat waren wir ungefähr innerhalb der vier Stunden oben gewesen.

Tief unter uns im Tal erspähte Flo sogar noch den kleinen Bummelzug, für den Ushuaia bekannt ist. Er wurde früher von den Gefängnisinsassen genutzt, um in den Wald zu kommen, wo sie Bäume fällten, die als Baumaterialien dienten.

Heute fährt er als Touristenattraktion umher, soll laut diversen Hostel-Bekanntschaften das teure Ticket aber nicht wert sein. 

Wir genossen noch eine Weile die Aussicht, Timo teilte mir den allerletzten Oreo-Keks als Belohnung zu, dazu gab es noch Obst und Schokolade.

Nachdem wir alles verputzt hatten, schaute Timo etwas betreten drein. Er hatte immer noch Hunger, aber kaum mehr Proviant dabei. Auch damit er schnellstmöglich mehr in den Magen bekäme, machten wir uns an den Abstieg.

Zurück ging es den steilen Hang hinunter, über das sumpfige Flachland, ein paar Mal über den Bach und hinein in den Märchenwald. Hinunter waren wir fast doppelt so schnell wie hoch, weswegen wir zurück an der Weggabelung entschieden, den 6km Umweg nach Chile und zurück doch noch mitzunehmen.

Der Weg führte mehr oder weniger am See entlang, war größtenteils flach, hatte zwischendurch höchstens 25 Höhenmeter, führte aber hauptsächlich über Wurzeln. Meine müden Füße knickten auf dem unebenen Geländer jetzt schon wesentlich häufiger um und langsam taten auch meine Schultern weh. Sie waren die viele Bewegung und die Belastung durch die Hikingsticks absolut nicht gewöhnt. Wir waren deswegen etwas langsamer unterwegs als gedacht. Laut Beschilderung sollte der Weg zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück dauern. Wir hatten es in der Hälfte der Zeit schaffen wollen. Etwas mehr als eine Stunde war dann aber doch vergangen, als Flo ein rotes Metallkonstrukt entdeckte.

Tatsächlich schien diese unscheinbare Markierung die Grenze zu Chile darzustellen.

Wir waren erst unsicher und versuchten noch ein Stück weiterzulaufen. Der Weg kam uns aber wesentlich verwachsener vor, weswegen wir schließlich aufgaben. Auch MapsMe zeigte an, dass wir uns auf chilenischem Grund bewegten. Google hingegen enttäuschte uns heute schon zum zweiten Mal. Auch der Cerro Guanaco war falsch eingezeichnet gewesen.

So machten wir noch fix ein Foto, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Wer weiß, ob noch ein Grenzbeamter hinter einem Baum hervorgesprungen wäre?

Und wer weiß eigentlich, warum dieser Berg Cerro Guanaco heißt, wenn es hier gar keine Guanakos gibt?!

Nach ungefähr zehn Stunden laufen und rund 20 zurückgelegten Kilometern freuten wir uns alle sehr, als wir das Auto erblickten. Timo futterte direkt die ganze Packung Schokolade, die noch im Auto lagerte.
Danach setzten wir Flo im Hostel ab, tankten, brachten die Wanderstöcke und das Auto zurück. Leider hatte der Empanada-Laden geschlossen, aus dem Timo sich sein wohlverdientes Abendessen holen wollte. Vielleicht war es aber auch besser so, denn hungrig soll man bekanntermaßen ja nicht einkaufen gehen. Unterwegs sprach Timo davon, dass er zum Abendessen gerne Empanadas, Steak, Salat, Nudeln und zum Nachtisch Vanillepudding mit Erdbeeren essen wollte.

Zum Entsetzen einer argentinischen Hostel-Bewohnerin beließen es beim Vanillepudding. Zum Einen war sie entsetzt, dass wir einen Nachtisch als Hauptspeise essen wollten. Zum Anderen, dass wir diese zum kalt Genießen gedachte Speise tatsächlich warm verzehren wollten. Sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, wollte aber auch nicht probieren.

Wir fanden unseren Pudding, gespickt mit Erdbeeren jedenfalls großartig und - oh Wunder - wir waren danach satt und hätten keine Lust mehr auf all das andere von Timo geplante Essen gehabt.

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