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Uns geht's gut!

La Paz

geschrieben von Franzi

Gute Neuigkeiten aus einem der angesagtesten Touri-Restaurants von La Paz: Wir leben noch! Und auch sonst sind wir unverletzt und wohlauf!

 

Aber warum wir euch das mitteilen wollen? Beginnen wir von vorne...

 

Das Restaurant Popular Cocina Boliviana wird unter anderem vom Lonely Planet gehypte und ist deswegen immer rammelvoll und die Wartezeiten sind lang. Es gibt jede Woche ein anderes 3-Gang-Menü mit jeweils 2 oder 3 kreativen, ausgefallenen und hochwertigen Wahloptionen. Der Preis ist mit 79 BOB für einen Bolivianischen Mittagstisch, der normalerweise 10-20 BOB kostet zwar mehr als happig, sein Geld mit gut 10€ für den westlichen Touristen aber wirklich erschwinglich und auch wert.

 

Wir waren bereits letzte Woche mit zwei Mädels hier, die wir während unseres ersten, letztendlich gescheiterten Ausflugsversuchs zum Welterbe Tiwanaku kennenlernten. Frustriert wollten wir uns nach der erfolglosen Odyssee durch La Paz etwas gönnen. So landeten wir in dem unscheinbaren Laden im oberen Stockwerk eines alten kolonialen Gebäudes mit typischem Patio, in dem sich viele weitere, aber weitaus weniger beliebte Essensangebote tummelten. Ein echter Gringo-Hotspot!

Da wir kurz nach dem Mittagessen bereits an einer Free-Walking-Tour teilnehmen wollten, mussten wir das wirklich grandiose Essen leider etwas hinunterschlingen.

Heute haben wir nicht viel vor, bevor es heute Abend zu Cortenys Geburtstag geht, die wir in Rurrenabaque während unserer Pampas-Tour kennengelernt haben. So beschlossen wir nach ein paar Besorgungen, uns das Gourmet-Erlebnis nochmal ganz in Ruhe zu gönnen und unsere Mägen angemessen vor der abendlichen Party zu füllen. Gerade so ergatterten wir um 12.13 Uhr den vorletzten Tisch, obwohl das Restaurant offiziell erst um 12.30 Uhr öffnet. Gemütlich genossen wir an einem wundervollen Tisch, der als einziger am Fenster steht (!), leckeres Brot mit Dip, eine Art Frischkäsemischung und unsere Vorspeisen.

Ich traute mich sogar todesmutig, in eine als "etwas scharf" deklarierte Schote zu beißen - den Rest überließ ich nach dem ersten Happs aber lieber Timo!
Ich traute mich sogar todesmutig, in eine als "etwas scharf" deklarierte Schote zu beißen - den Rest überließ ich nach dem ersten Happs aber lieber Timo!

Obwohl die Vorspeise wesentlich leichter war als beim letzten Mal, hatte ich an dem Hauptgang ordentlich zu knabbern. Ohne Stress unterhielten wir uns nett und wehrten drei Kellner ab, die mich der Aufgabe bezichtigen und meinen Teller bereits abräumen wollten.
Zwischendurch musste ich noch einmal länger auf die einzige Toilette des Lokals warten, die eine ganze Zeit besetzt war, außerhalb des Restaurants lag und über den Laubengang des Patios zu erreichen war. Während ich wartete, konnte ich einen Mitarbeiter beobachten, der wohl Gasflaschen wechselte, die ebenfalls etwas kaschiert auf dem Laubengang standen.

Als ich wieder reinkam, arbeitete ich mich weiter durch meinen Hauptgang und gönnte mir den xten superleckeren Maracujasaft.
Um zu verstehen, was dann folgte, muss gesagt sein, dass das Restaurant über ca. 30-40 Sitzplätze verfügt. Zudem können vier Gäste an einer Bar Platz nehmen, die direkt in die offene Küche mündet. Auch wir haben letztes Mal von hier aus gegessen. Man kann also direkt sehen, wie alles zubereitet wird. Hinten rechts seht ihr zudem die gelben Gasleitungen, die direkt zum Herd führen.

Aus eben diesen Gasleitungen scheint auf einmal eine riesige Stichflamme gelodert zu sein. Ich saß mit dem Rücken zu der Küche und bekam genau gar nichts mit. Aber plötzlich sprangen alle Gäste gleichzeitig auf, stürmten zu den Ausgängen, warfen Tische und Stühle um, Essen und Getränke flogen durch die Luft, nicht wenig ging zu Bruch.
Ich konnte gar nicht so schnell reagieren und musste instinktiv erstmal verstehen, warum alle in Panik gerieten. Nicht so Timo, bevor ich irgendetwas gerallt hatte, stand er schon draußen auf dem Laubengang. Ein Blick in die Küche brachte Klarheit. In der Ecke des Herdes brannte ein Feuer, rund einen Meter hoch. Binnen Sekundenbruchteilen war mir klar, dass dieses alte Gebäude, das aus viel Holz bestand, abbrennen würde. Allerdings war das Feuer noch zehn Meter entfernt und verhältnismäßig klein, die Ausgänge waren blockiert, da die Menschen alle aus dem Restaurant raus wollten, dann aber nicht bedachten, dass die Menschen hinter ihnen ebenfalls hinaus müssen und unmittelbar vor dem Eingang stehen blieben. Auf die Idee, die Treppe hinunter ins Patio zu laufen, kamen die wenigsten. Auch Timo hatte instinktiv den falschen Weg gewählt und stand genau auf der anderen Seite des Laubengangs, am weitesten von der Treppe entfernt.
Ich war dagegen noch im Restaurant, schätzte die Gefahr zwar als groß und potentiell lebensbedrohlich ein, glaubte aber, dass bis das Feuer bei mir ankäme, genug Zeit sei, um 10 Sekunden darein zu investieren, unsere Handys, meine Sonnenbrille, meinen Pulli und unsere beiden Rucksäcke einzusammeln. Timo hatte dagegen, ganz so wie man es in der Schule lernt, alles stehen und liegen gelassen.

Draußen lief ich sofort zur Treppe, wollte aber nicht ohne Timo weglaufen. Nach einigen Sekunden erblickte ich ihn auf der anderen Seite.
Bis er bei mir ankam, schien sich langsam alles zu beruhigen. Die ersten Menschen warfen wieder Blicke in das Restaurant. Auch ich versuchte einen Überblick über die Lage zu bekommen. Das Feuer schien aus zu sein. Die Mitarbeiter fingen an, die Gäste zu beruhigen. Insbesondere Kinder, aber auch einige andere Gäste weinten aufgelöst. Alle anderen standen sichtlich unter Schock bzw. versuchten, das ganze ausgeschüttete Adrenalin zu verarbeiten. Auch ich hätte jederzeit losheulen oder loslachen können. Timo wäre eher bei ersterem dabei gewesen, er war aber ähnlich aufgewühlt.

Scheinbar war Gas aus der Leitung ausgetreten, das sich am Herdfeuer entzündet hatte. Wie genau das passieren konnte und ob es etwas mit dem von mir beobachteten Kartuschenwechsel zu tun hatte, weiß ich allerdings nicht. Auch die größte Stichflamme hatte ich vermutlich verpasst. Die Situation konnte aber letztendlich durch das Abschalten des Gases relativ gut gelöst werden. Dennoch lag das Restaurant in Trümmern. Vermutlich hatten die meisten geglaubt, mich eingeschlossen, dass Lebensgefahr bestand. Entsprechend hatte niemand auf Möbel oder Ähnliches geachtet. Viele begannen nun, da die größte Gefahr gebannt war, über Schmerzen an verschiedenen Körperstellen zu klagen, da sie sich in der panischen Hektik gestoßen hatten. Auch Timo wird wohl einen ordentlichen blauen Fleck am Schienbein davontragen.

Außer uns blieb kaum jemand. Die meisten Gäste verließen das Lokal, einige wohl auch - einvernehmlich - ohne zu zahlen.

Die Kellner und Köche begannen, das Chaos aufzuräumen und sich bei den Gästen zu entschuldigen. Das sei wohl noch nie zuvor passiert. Ein Herr kam hinzu, der scheinbar der Manager oder Besitzer war. Er half beim Aufsammeln der Scherben. Timo stellte noch eine Pflanze zurück an ihren Platz, dann setzten wir uns wieder an unseren Tisch und versuchten, das Erlebte zu verarbeiten.
Gefühlt 10 min später, war das Restaurant wieder komplett hergestellt. Es kamen neue Gäste, die wahrscheinlich absolut nichts von dem Drama mitbekommen hatten und sich freuten, das in dem sonst so ausgebuchten Lokal so viele Tische frei waren.

Etwas später setzte sich der mutmaßliche Manager mit einem Bier an den Tresen. Seine Cappy fiel herunter. Ich stand auf, tippte ihn von hinten an und reichte sie ihm. Selten habe ich einen so erschöpften Blick gesehen. Die Mitarbeiter dagegen machten weiter, als sei nichts gewesen. Nur die Tatsache, dass sie uns fragten, ob wir schon Brot bekommen hätten und das Menü wieder von vorne servieren wollten, verriet, wie stark auch sie unter Spannung standen.

Wir aßen noch unser Dessert, das Timo scheinbar aber nicht mehr so gut schmeckte.

Er war sichtlich angespannt und besorgt, weil ich die Gefahr einer etwaigen Gasexplosion nicht erkannt hatte. In der Tat hatte ich nicht daran gedacht, dass etwas explodieren könnte. Scheinbar waren die Menschen draußen auch weitaus näher an der Gefahrenstelle, da die Gasflaschen ja draußen und nicht im Restaurant standen. Aber wissen konnte man das in der Situation natürlich nicht.

Ich versuche nächstes Mal auf jeden Fall, ebenfalls schneller und nicht als letzte die vermutliche Gefahrensituation zu verlassen. Aber ehrlicherweise denkt man in so einer Situation auch nicht nach. Man reagiert einfach. Und ohne Routine, wie z.B. durch regelmäßige Gefahrenübungen, kann man das intuitive Verhalten auch nur schwer trainieren. In Summe bin ich vermutlich auch in Sekundenschnelle draußen gewesen. Die Zeit fühlt sich in Panik aber einfach anders an.

Wir sind auf jeden Fall sehr froh, dass niemand etwas schlimmeres als blaue Flecke davongetragen hat.

 

Am Ende zahlten wir noch unsere Rechnung und gaben auch gutes Trinkgeld. Die Mitarbeiter, die sich unzählige Male bei uns entschuldigten, waren sicherlich mit dem Tag schon genug gestraft gewesen. Allerdings fehlten unsere extra Maracuja-Säfte auf der Rechnung. Ob das ein absichtliches Entgegenkommen oder ein fahriges Versehen war, wissen wir nicht. Wir empfanden es jedenfalls als angemessen, die Säfte für all den Stress umsonst bekommen zu haben.

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