Long Ho
geschrieben von Timo
Eigentlich war ich diesmal gar nicht so angespannt wie sonst am Tag bevor wir die Grenze nach Vietnam überqueren wollten. Aber als Franzi von der Korruption, die es auch an dieser Grenze geben sollte laut Google Rezensionen vorlas, spukte das Thema in meinem Kopf herum bis wir in Vietnam waren. Zur Erinnerung: Beim Grenzübertritt von Laos nach Kambodscha wurden wir erst von zwei korrupten Laotischen BeamtInnen genötigt 2 Dollar pro Person für den Ausreisestempel zu zahlen, die sie sich dann schön in ihre eigene Tasche steckten. Danach wurden wir noch vom ersten Kambodschaner den wir trafen vor der Einreise verarscht, weil er uns für einen Dollar einen völlig nutzlosen scheinbar wichtigen Zettel zur Einreise verkaufte. Diesmal stellte ich mir etwas emotional angefasst vor wie ich standhaft bleiben könnte, um kein unnötiges Geld an unfaire Menschen zu zahlen. Es sind keine großen Geldbeträge, aber dieses für mich ungewohnte Gefühl, dass jemand in einer Machtposition diese gegen mich ausnutzt, sorgt für eine große Wut und Verzweiflung in mir, für die ich noch keine emotionale Lösung gefunden habe. Andere Menschen befinden sich sicherlich in viel regelmäßiger in viel extremeren Situationen wider, die sie emotional verarbeiten müssen, aber auf Grund meiner Erfahrung ist auch diese Situation für mich schon eine Herausforderung, da ich ansonsten fast nie unter der Macht eines stärkeren "leiden" muss.
Beim Pubquiz am letzten Abend im Kambodscha im Hostel konnte ich das Thema zunächst wieder verdrängen, aber nach dem Aufstehen war es wieder präsent. Was würde ich den Beamten sagen? Wie könnte ich auf mein Recht beharren nichts zu zahlen und trotzdem mein Hauptziel auszureisen und in Vietnam einzureisen erreichen? Der Transport zur Grenze lenkte etwas von dem Thema ab, da er recht schlecht organisiert war. Ein Remork holte uns im Hostel ab und fuhr uns nach Kampot rein zu einem Busunternehmen. Dort holte uns dann ein alter, klappriger Bus ab, der mich ein wenig an Busse im Altiplano erinnerte, so war er von innen geschmückt. Die trockene und kalte Luft der Klimaanlage simulierte dabei das Klima des Altiplano. Er fuhr alles andere als eine direkte Route und sammelte unterwegs noch Passagiere ein unter anderem am Strand von Kep. Das war das erste Mal seit April, dass wir das Meer sahen.
Vor der ersten Grenzstation wurden hier rausgelassen. Abgesehen davon, dass sich einige Leute in einem unklar gestalteten Raum vordrängelten, klappte hier in Kambodscha alles sehr gut. Auf den Schaltern hatte die Regierung "Nothing to pay here" Schilder angebracht, die uns zusätzliche Sicherheit gaben. Der Beamte gab uns den Ausreisestempel und auf dem kurzen Fußweg in der Mittagshitze nach Vietnam checkte nochmal ein Polizist, dass wir den Stempel hatten. Vor der Vietnamesischen Seite checkte dann auch ein Polizist von dort, ob wir den Ausreisestempel haben. Dieser hatte eine Trinkgeldbox bzw. Zumindest einen Karton mit Geld drin vor sich stehen wie auch alle weiteren Vietnamesischen Beamten, die wir hier antrafen. Beim Grenzbeamten wurde wieder fleißig vorgedrängelt, auch wenn wir mit Abstand das schwerste Gepäck zu tragen hatten. Aber auch hier klappte alles einwandfrei. Der Mann fragte nach unserer Unterkunft und die Aussage, dass wir in die Region Vinh Long fahren genügte ihm. Auch unser Weiterreiseticket, das wir extra bei einem Anbieter dafür gekauft hatten, der es nach zwei Tagen wieder storniert, wurde nicht nachgefragt. Damit hatten wir diese 22 Dollar umsonst ausgegeben, aber besser so, als wenn man nicht einreisen darf. Etwas merkwürdig war dann der vorletzte Mann, der etwas von uns wollte. Er saß im weißen Hemd und nicht in Uniform hinter dem Hygiene und Quarantäne Schalter und winkte uns schon ähnlich motiviert heran, wie der Mann in Kambodscha, der uns dann verarschte. Der Mann nahm meinen Pass zum Checken. Dann wies er mich an, dass ich mein Gepäck durch einen Scanner schieben sollte. Auf der anderen Seite wartete ich auf eine Reaktion. Der Mann blieb aber in seine Schalter und ich wollte das Gepäck nicht verlassen. Daraufhin redete er mit Franzi. Ich sah, dass sie mehrfach Nachfragen stellte und unverständlich zu dem Mann blickte. Schließlich kam sie wieder und gab mir meinen Pass, in dem ein weißer Gesundheitszettel zu finden war, der ähnlich unnütz ist wie der Zettel in Kambodscha. Franzi erzählte mir, dass der Mann tatsächlich Geld von ihr haben wollte, aber mit ein paar Mal dumm stellen, hat es gereicht, dass er sie laufen ließ. Nun kam noch ein letzter Polizeicheck, bei dem der freundliche, uniformierte Mann ebenfalls kein Geld haben wollte und nur einen Karton mit Geld vor sich stehen hatte. Und dann hatten wir es geschafft und wurden von einem Van unseres Busunternehmens abgeholt, um dort ins nahe gelegene Ha Tien zum Busbahnhof gebracht zu werden. Unterm Strich war die Grenzüberquerung für uns also erfolgreich verlaufen, aber sie hat auch ein paar Fallstricke zu bieten. Es war aber nicht so schlimm wie in Laos, wo wir mit dem Ausreisestempel erpresst wurden von einem Staatsangestellten Geld an ihn persönlich zu zahlen.
Am Busterminal beschaffte uns der Fahrer des Vans ein Busticket, da wir bereits für die gesamte Fahrt bezahlt hatten und bot uns noch einen Geldwechsel zu einem schlechten Kurs an. Wir waren an der Grenze die letzten gewesen und sind daher direkt weiter gefahren, ohne Geld zu tauschen oder eine SIM Karte zu besorgen. Glücklicherweise konnten wir zwei Rinder Pho Suppen auch in Dollar bezahlen und einen fairen Kurs aushandeln. Der Vanfahrer hatte uns natürlich angelogen und behauptet man könnte nicht in Dollar zahlen. Kurz nachdem die Suppe leer war, fuhr auch schon der Bus los. Es war ein Erlebnis in den Bus einzusteigen, weil er anders war als alle anderen Busse, die wir bisher betreten hatten. Wie im Flugzeug gab es am Eingang zwei Gänge links und rechts durch die man gehen konnte. Bevor man reinging, zog man aber die Schuhe aus und konnte seine Schuhe in einer Plastiktüte verstauen, die man gestellt bekam. Dann ging es in den schmalen Gang, in dem es zwei Etagen mit Betten gab, die aus Leder waren und deren Rückenlehne man zu einem Stuhl aufstellen konnte. Es gab Betten an beiden Fenstern und im Mittelgang. Wir bekamen ein Bett am Fenster und eines in der Mitte. Ich richtete mich schon am Fenster ein, während Franzi noch auf der Bahnhofstoilette war, da es im Bus kein Klo geben sollte. Leider gab es nicht wirklich Platz für meinen großen Rucksack und für die Tüte mit den Schuhen. Nächstes Mal ziehe ich Flip Flops an, die nicht so viel Platz wegnehmen.
Franzi kam dann auch wieder und der Bus fuhr direkt los. Erst organisierte sie noch etwas im Gang und dann setzte sie sich auf ihren Platz oben in der Mitte. Während ich noch unter dem Inhalt meines Rucksacks begraben war, stellte Franzi recht schnell fest, dass ihr schlecht wird. Sie schaute auf ihre Konsole mit ausgeschaltetem Fernseher und nur im Augenwinkel rechts und links konnte sie Fenster erahnen. Außerdem berichtete sie später, dass die fehlende Wand auf beiden Seiten sie hin- und herschleuderte während der Fahrt. Ihre Rückenlehne blieb auch nicht oben, so dass sie liegen musste und so war ihr sehr schnell übel. Immerhin war der Bus noch recht leer, so dass sie einen anderen der Liegeplätze wählte. Allerdings meckerte dann der Busfahrer und auch der Assistent vorne. Also stellte Franzi sich wieder in den engen Gang während der Fahrt. Es tauchte nun auch eine etwas freundlichere Frau auf, die so wirkte als würde sie helfen, aber es nicht so richtig tat. Ich war mir unsicher, ob sie zum Unternehmen gehörte oder eine Passagierin war. Auch ein etwas älterer Mann, der sehr gut Englisch sprach und offensichtlich Passagier war, mischte sich ein. Alle anderen Passagiere blieben hinter ihren Vorhängen versteckt. Die Frau bot Franzi einen Platz am Fenster an. Während wir in einem Terminal warteten, drängte ich Franzi dazu nochmal schnell umzuziehen ehe der Bus wieder weiter fahren würde und das Umziehen noch schwieriger wäre. Sie hatte auch schon eine Seekrankheitstablette genommen. Da ich sie etwas drängte, war sie endgültig überfordert und fing an zu weinen. Das untermauerte aber zumindest ihre Ambitionen auf den Platz am Fenster. Sie legte sich nun an den Fensterplatz, ich tröstete noch etwas und zog dann ihren Vorhang zu. Sie sagte mir noch, dass es der schlimmste Bus sei, in dem sie je gefahren ist. Erst 4 Stunden später meldete sie sich wieder über WhatsApp aus ihrer Koje. Tatsächlich gab es nämlich erstmals in einem Bus in Südostasien WLAN und es funktionierte sogar richtig gut. Ich war daher auch sehr begeistert von dem modernen Bus. Lediglich gab es keinen Ort für unseren Tagesrucksack. Ich machte ihn schließlich hinter meine Rückenlehne, aber konnte dadurch nicht mehr liegen, da die Lehne nicht mehr ganz nach unten ging. Franzi ging es nun auch wieder besser. Wir verfolgten die Fahrt wie gewohnt bei Google Maps und ich zeichnete auch die Linie der Fahrt auf unserer Weltreisekarte ein. Plötzlich, einige Kilometer vor der Stadt Vinh Long, in die wir die Fahrt gebucht hatten, hielt der Bus am Straßenrad an und zwei Motorradfahrer winkten dem Bus zu. Ich wunderte mich in welcher Beziehung sie zum Bus stehen, aber sie schienen sich zu freuen. Genauso plötzlich machte der Fahrer aber auch meinen Vorhang auf, sagte: "Vinh Long" und deutete an, dass ich aussteigen soll. Hier waren wir aber weder in der Stadt, noch an einem Terminal und es gab kein Taxi und außerhalb vom Bus auch kein Internet. Daher war mein erster Reflex zu sagen, dass wir hier nicht aussteigen wollen. Wir waren in der Nähe einer großen Brücke über den Mekong, über die der Bus weiter nach Ho Chi Minh Stadt fahren wollte und wir waren die einzigen Gäste, die in Vinh Long rauswollten. Der Busfahrer ging direkt zur Kabine des eloquenten Mannes, der uns vorher auch schon bei Franzis Problemen geholfen hatte, und bat ihn zu vermitteln. Offensichtlich war der Fahrer nervös, weil er seine Zeit einhalten wollte, schien aber mit der Hilfe des netten Einheimischen auch zu verstehen, dass wir ohne Internet und Taxi hier etwas verloren sind. Es gab zwar ein Geschäft auf der anderen Straßenseite, aber wer weiß ob die uns helfen würden. Und die zwei winkenden Motorradfahrer waren zwar Taxifahrer, aber wir hatten schonmal festgestellt, dass unser Gepäck und wir zusammen mindestens drei Motorräder für den Transport benötigt. Daher waren die Motorradfahrer auch nicht mehr so erfreut, als wir ihr Angebot ablehnten. Stattdessen rief der Busfahrer mit seinem Smartphone ein Taxi herbei, dass nach einiger Zeit auch kam, während der Franzi demonstrativ im Bus sitzen geblieben war und der Fahrer sie fotografierte, damit er vermutlich seinem Chef von dem Zwischenfall berichten konnte. Es war auch nicht die Schuld des Busunternehmens oder vom Fahrer, sondern der Anbieter in Kampot, der das Gesamtpaket verkauft hatte, hätte uns einfach besser informieren müssen. Im Endeffekt hatten wir das Ticket an der Hostelrezeption bezahlt. Der ältere Mann aus Vietnam war wirklich extrem bemüht zwischen dem Busfahrer und uns zu vermitteln und es fühlte sich toll an, dass ein Einheimischer uns verstand und unsere Situation erklären konnte. Das war bei anderen kritischen Szenen schon anders, bei denen sich der kompetente und Englischsprachige Einheimische komplett auf die Seite unseres Kontrahenten gestellt hatte. Schließlich kam der Taxifahrer und wir machten ihm klar, dass wir nur in Dollar zahlen können. Er hatte tatsächlich ein Taxameter und die laute Mucke erinnerte mich an die Musik aus Nordostthailand und Laos. Natürlich wollte er dann doch deutlich mehr Dollar für den Dongpreis auf dem Taxameter haben, also ging ich auf Geldautomatensuche und besorgte in etwa zwanzig Minuten unsere ersten Dongs. Dafür das Taxi in Vietnam so günstig sein soll, fand ich fünf Dollar für acht Kilometer ziemlich teuer. Er wartet entspannt rauchend neben einem anderen Einheimischen bis ich wiederkam und wir ihn bezahlten. Warten war kein Problem, aber den Wechselkurs wollte er sehr zu seinem Vorteil auslegen. Interessanterweise sind bei späteren Hotelpreisen die Dollarkurse besser gewesen als die Dongpreise- also das gewohnte Spiel je nachdem was man hat. Wir haben jetzt beides und sind gerüstet.
Die Fähre, an der wir rausgeschmissen worden waren, war auch schon ein Erlebnis. Unzählige Motorräder strömten von links und rechts auf die Fähre, die aus einer großen Metallfläche bestand. Wir schummelten uns mit unseren Backpacks zwischendurch und setzten uns auf die einzige Bank auf der Fähre, während die unzähligen Motorradfahrer sich eine Kippe ansteckten, wenn sie männlich waren und zusätzlich auf ihrem Smartphone surften egal welches Geschlecht sie hatten. Nach etwa fünf Minuten waren wir auf der anderen Seite des Co Chien Flusses, der einer der Seitenarme des Mekongs in seinem Delta ist. Man musste knapp vier Cent für die Fähre zahlen und bald danach kam ein Moped aus der Dunkelheit, auf dem unsere Gastgeberin des Homestays saß, die uns abholte. Erst setzte ich mich mit Backpack auf dem Rücken auf das Moped und mein Rucksack wurde zwischen ihren Beinen gelagert. Als ich abgesetzt worden war, wurde Franzi mit Gepäck einige Zeit später hinterher geliefert. Wir erhielten ein sehr leckeres Abendessen mit Fisch und Reis und Gemüse und waren froh erfolgreich in Vietnam angekommen zu sein. Es lief zwar nicht alles geradlinig, aber alles klappte und die Menschen waren bisher sehr freundlich und hilfsbereit.
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