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Stadt der unbegrenzten Schwierigkeiten

La Paz

geschrieben von Timo

 

Niemand hatte vorher gesagt, dass La Paz einfach werden würde. Und es wurde auch nicht einfach. Die Busfahrt von Rurrenabaque nach La Paz steht exemplarisch für die Herausforderungen dieser nicht immer einfachen Region zum Reisen. Wir verließen Rurrenabaque bei gewohnt schwülen Temperaturen während eines heftigen Regengusses. Zum Glück waren wir schon in den extrem stickigen Bus eingestiegen während wir beobachteten wie viele andere Backpacker im Regen ihr Gepäck aufgaben unter ihnen auch unsere "Freunde", die den Dschungel anscheinend überlebt hatten (siehe Artikel In der Wildnis und außerhalb der Komfortzone). Widersprüchlicherweise zogen wir trotz der schwülen Hitze schonmal die Buffs als Hals und Ohrenschutz um und im Verlauf der Fahrt durch die Dunkelheit zogen wir auch unsere Jacke an. Der Bus verwandelte sich im Laufe der Nacht von einer Erstickungskammer in einen Kühlschrank. Der Regen hörte auf und machte Platz für die Kälte des Winters in der Höhe. Als wir um 6 Uhr morgens La Paz erreichten- Franzi mit wenig vorangegangenem Schlaf und ich mit ziemlich viel- teilten wir uns bei knapp über 0°C ein Uber mit zwei Niederländerinnen zu dem Hostel, was ich rausgesucht hatte. Das Hostel in der schicken, alten Kopfsteinpflasterstraße Jaén, die angenehmerweise nur für Fußgänger zugänglich ist, ließ uns schon am frühen Morgen in unser gemütliches Doppelzimmer mit Erker zum Weg hin. Von dort aus konnte man fast jeden Tag ein Spektakel erleben, nicht nur aber auch weil am Sonntag der Woche der Jahrestag der Revolution von La Paz anstand, der im Verlaufe der Woche immer stärker gefeiert wurde mit seinem Höhepunkt am Samstag. Wir hatten sogar eine elektrische Heizung im Hostelzimmer und der koloniale Stil war sehr gemütlich. Einzig der niedrige Eingang zum Badezimmer sorgte bei mir mehrmals für Schädelbrummen. Leider ging sonst nicht viel an diesem ersten Tag in La Paz, da Franzi die Kombination aus Höhenkrankheit und Schlaflosigkeit im Bett hielt. Die 3.500m Anstieg von Rurre nach La Paz waren nicht ohne Folgen geblieben. Zum Glück hatten wir von Cortney noch einen guten Tablettentipp für die Krankheit erhalten, der abends wirklich wirkte als Franzi wegen des Leides nicht mal einschlafen konnte.  

 

Am Mittwoch wagte Franzi unter Tabletteneinfluss den Weg aus dem Hostel heraus. Wir gingen zu einer Wäscherei und informierten uns danach über den Condoriri Trek- einen der schönsten Wanderwege der Welt laut des Buches, das Franzi mir mal geschenkt hat. Das Buch, das einen sehr professionellen Eindruck macht, sorgt für viel Lust auf die Wanderwege und vermittelt auch, dass es alle Details kennt um diese durchzuführen. Leider sind die Details aber in Wirklichkeit oftmals falsch oder den Leuten vor Ort unbekannt. Der Weg, der in dem Buch in der Gebirgskette Cordillera Real bei La Paz eingezeichnet ist, sagt den kompetent wirkenden Agenturmitarbeitern leider nur in Teilen etwas und sie behaupten, dass noch niemand den eingezeichneten Treck aus den grünen Yungas bis zum Pico Austria mit über 3.000 Metern Höhenunterschied gelaufen sei. Lächerlicherweise wird der Treck bei der Länderangabe mit Chile/ Bolivien betitelt, wobei der Treck nichts mit Chile zu tun hat. Auch wenn das Buch bei genauem Hinsehen mit viel Inkompetenz glänzt, wird es uns doch weiterhin als Inspirationsquelle für Wanderungen auf der Reise dienen. Nach einem günstigen Almuerzo (Mittagessen) mussten wir erstmals die teuren Preise für geführte Wanderungen in den Bergen verdauen. Unter 120€ pro Person und Tag geht's in den Bergen wohl nicht, wenn man einen Guide dabei haben will. Der kommt nämlich nur, wenn auch noch ein Esel samt Treiber und ein Koch dabei ist. Eine günstigere Variante mit weniger Luxus aber mit Guide ist wohl schwierig. Wir versuchen nochmal einen Teil der im Buch geschilderten Route zu organisieren und den Preis zu senken. Vermutlich in dem höher gelegenen Teil der Route neben Bergen von bis zu 6.000m Höhe. Vielleicht finden wir ja noch andere Wanderer, die mit derselben Tour mitlaufen wollen.  

 

Den Nachmittag verbrachten wir in unserer Straße Jaén. Ein Event schleuste eng frequentiert lokale Touristen durch die schmale Gasse. Eine Schauspielerin in einem Hamburg Dungeon mäßigem Outfit erzählte den Besuchern die Geschichte einer verzweifelten jungen Frau deren Verlobter in der Nacht vor der Hochzeit ermordet worden war, und die sich schließlich aus Trauer selbst das Leben nahm. Das war wohl im 19. Jahrhundert. Seitdem hängt ein Kreuz am Eingang der Straße, um die Bewohner zu schützen. Angeblich klaut sonst der Geist der Verstorbenen Männer und junge Mütter mit Babys. Auch am Eingang der Straße ist der Verkaufsraum des Malers und Künstlers Mamani Mamani. Der extrovertierte Aymara lebt für seine Kultur und versucht sie durch seine Kunst nach außen zu transportierten. Das scheint ihm auch zu gelingen bei Preisen pro Gemälde und Skulptur von mehreren tausenden US Dollar. Wir trafen ihn vor Ort an, nachdem er die Touristengruppen vor seiner Haustür begrüßt hatte. Wir stellten fest, dass wir alle drei auf der EXPO 2000 in Hannover waren, wenngleich er wohl die besten Erinnerungen an das Event haben dürfte. Dann musste er sich aber schnell auf einen Stuhl setzen, da er einem Fernsehteam um einen Moderator ein Interview gab, bei dem wir Mäuschen im Hintergrund spielten und zuhörten. In dem allgemeinen Interview erzählte er über sich und seine Kunst und es war recht interessant. Gleichzeitig war es auch interessant mal bei einer Fernsehproduktion dabei zu sein. Wir versuchten nicht zu sehr auf dem Holzlattenboden zu knirschen, während die beiden Interviewteile jeweils in einem Rutsch gedreht wurden. Mamani pinselte nochmal scheinheilig auf einem seiner Gemälde in Arbeit für die Kameras bevor das Interview vorbei war. Danach bekamen wir noch ein persönliches Video mit ihm, in dem wir "Hayaya" sagen, was vermutlich eine Begrüßung oder ein Freudenausruf auf Aymará ist. Außerdem bekam jeder inklusive der Fernsehleuten noch den "Signature Ausspruch" von Mamani Mamani mit, der lautet "Todo la energía de los Andes". All diese Energie gibt einem Mamani Mamani auf diesem Weg mit. Wir nahmen auch noch Postkarten von ihm mit, die genauso bunt waren wie seine Gemälde und seine ganze Kunstausstellung. Franzi hatte sich in die Skulptur einer Katze verliebt, die bunt bemalt war mit Gesichtern, Tieren und der Landschaft des Altiplano. Sie konnte sie dann aber doch dort lassen, nachdem wir erfuhren dass wir alternativ 3500 USD dort lassen müssten.  

 

Bunt waren auch Teile des Museums für Ethnografie und Folklore in einer alten, kolonialen Villa in der Nähe unseres Hostels, die uns in einer Tour präsentiert wurden. Nachdem eine Frau, die wir trotz Mundschutz ganz gut verstanden, nach einem Raum ausgewechselt wurde gegen einen Mann, der ebenfalls Mundschutz trug und einen Kopfhörer im Ohr hatte und auch sehr viel wusste, das allerdings wasserfallartig runterspulte und keine Fragen zuließ, verstanden wir leider nur noch das was wir sahen. Das Museum hatte sehr vielseitige Räume mit Ausstellungsstücken aus dem ganzen Land und manche Inhalte kamen uns schon bekannt vor wie der Tío aus den Minen in Potosí. Am spannendsten waren aber die bunten Masken in einem bunten Saal, die wirklich sehr vielseitig sind und aus allen Teilen des Landes kommen. Die Masken des Karnevals in Oruro sind sicherlich sehr einprägsam, aber auch einige Tier- und Menschenmasken aus Amazonien sahen faszinierend aus. Auch die weiße Maske, die an die Anonymous Maske erinnert, aus San José bzw. Chiquitania tauchte hier wieder auf. Viele Masken hatten wir auch schon in der kulturellen Show in Sucre gesehen.Wir verließen die Tour vorzeitig, da wir auf der Hauptplaza von La Paz für eine Free Walking Tour angemeldet waren. Leider kreuzte nie jemand auf und so schauten wir uns stattdessen die letzten Räume des Museums noch selber an. Spannend war noch ein Raum über andine Mützen, die eine Form haben, so dass sie auch die Ohren bedecken und sehr an ein Modell erinnern, das ca. 2008 auch jeder coole Junge in der Schule getragen hat und damit sehr lächerlich aussah. Ich habe es dementsprechend nie getragen. 

 

Am nächsten Tag standen wir extra früh auf, um den langen Tagesausflug nach Tiwuanaku, einer archäologischen Stätte einer untergegangenen Kultur und Weltkulturerbestätte, zu absolvieren. Erstmals fuhren wir mit dem Téleferico, der Gondelbahn, die in mehreren Linien die ganze Stadt miteinander verbindet, und es fühlte sich mit Betreten der Station an als würde man in einem anderen Land sein. Alles ist sauber, geordnet und funktioniert einwandfrei in dieser Österreichischen Konstruktion. Statt mit dem Schlitten zum Männlichen hochzufahren und den Schnee unter einem und Eiger, Mönch und Jungfrau vor einem zu beobachten, hat man hier allerdings den Großstadtdschungel im vollen Talkessel von La Paz unter sich. Am Ende der ersten Fahrt sahen wir schon den Friedhof unter uns, den wir durchqueren würden, um ihn zu besichtigen und die Trufis nach Tiwuanaku zu erreichen. Der Friedhof ist ähnlich zu anderen südamerikanischen Friedhöfen. Die Leichen werden erst nach zehn Jahren verbrannt und kommen dann in Kästen, die wie in riesige Schränke über den ganzen Friedhof verteilt sind. Die Familien gestalten die Kästen dann individuell, ob mit Plastikfiguren, Blumen oder Fanartikeln von einem Fußballverein. Die Familientempel waren nicht ganz so beeindruckend wie damals in Recoleta in Buenos Aires. Wir verließen den Friedhof, liefen über eine volle, wuselige Hauptstraße auf der viele, traditionelle, Bolivianische Frauen vor allem Obst und Gemüse auf dem Boden verkauften und erreichten eine kleine Schlange an Menschen, in der auch Jana und Alena aus Deutschland standen, die schon seit einer Stunde vergeblich auf den Trufi nach Tiwuanaku warteten. Nach weiteren 30 Minuten nahmen wir ein Taxi, das uns hoch nach El Alto bringen sollte, wo es ein Terminal gibt. Wir hatten die Hoffnung, dass dort oben auf dem Weg nach Tiwuanaku eher Trufis abfahren würden als an dieser Straßenecke beim Friedhof, an der sogar das Büro von den Trufis geschlossen war. Auch lokale Leute aus La Paz hatten vergeblich gewartet. Der Fahrer fuhr uns die steilen Straßen nach El Alto hoch, wusste dann aber den Weg nicht mehr. Wir gaben ihm eine Hilfestellung mit Google Maps, aber die Straßen waren auch verstopft voller Märkte mit Obst und Gemüse und wuseligen Menschenmengen. Leider bezahlte Alena den unfähigen Taxifahrer, der erst der Fahrt zugestimmt hatte und dann in El Alto meinte, dass hier eine andere Stadt sei und er uns jetzt rausschmeißen muss. Wir bestellten einen Uberfahrer, der allerdings auch nur in den Märkten steckenblieb. Neben den Früchten gab es auch unzählige Schamanenstände, die einen Feuerofen vor ihren kleinen Kabinen stehen haben und angeblich die Zukunft für einen verändern können. So viele Stände wie es gab, muss es danach wirklich eine hohe Nachfrage geben. Wir stiegen nach einer weiteren, halben Stunde aus dem Auto aus und liefen zu Fuß zum Téleferico, mit dem wir in weiteren dreißig Minuten das Terminal erreichten. Inzwischen war es nach 12 Uhr mittags und es war hoffnungslos heute noch nach Tiwuanaku zu fahren. Wir sahen, dass es hier auch Trufis gibt und kehrten dann mit dem Téleferico in die Innenstadt zurück. Nach einem raschen und etwas gehetzten Besuch im leckeren Restaurant Popular Cocina Boliviana, das wir später noch einmal entspannter bzw. Teilweise unentspannter besuchen würden, eilten wir zur Plaza Sucre, wo eine andere Free Walking Tour starten sollte, für die wir schon eine Anzahlung geleistet hatten. Auch hier trafen wir, wenn auch zu spät, niemanden an. Enttäuscht davon, dass nichts klappte, versuchten wir die Route der Tour nachzulaufen und tatsächlich trafen wir eine Touristengruppe mit Guide an einer anderen Plaza an, die sich als die eigentliche Plaza Sucre herausstellte, an der die Tour starten sollte. Netterweise hatte der Guide Max viel erzählt, so dass sie noch auf uns gewartet hatten. Auf dem Weg zur zweiten Station erzählte er uns noch einiges über das Gefängnis San Pedro, was er den anderen Teilnehmern schon erzählt hatte. Besonders interessant waren seine Ausführungen über die "Cholitas", die typischen, Bolivianischen Frauen mit Hut, langen Röcken mit riesigen Hüfttteilen und bunten Tüchern. Cholita kann nur werden, wer schon eine Mutter zur Cholita hatte und damit aus einer indigenen Familie stammt aus der Kultur der Aymará, die in der Region La Paz prägend ist. Besonders attraktiv an Cholitas sind die künstlich größer dargestellten Hüften, die vom Rock bedeckten, möglichst starken Waden, sowie die langen zum schwarzen Zopf geflochtenen Haare mit künstlichen Verlängerungen. Meinen Schönheitsidealen entspricht das alles nicht unbedingt, aber es gibt dem Erscheinungsbild des Landes schon einen gewissen Charme überall diese Frauen rumlaufen zu sehen mit ihrer dunklen Haut und den bunten Tüchern. Spannend war auch die Ausführung über "Caseras", also letztlich die Marktverkäuferinnen. Man hat immer eine Stammverkäuferin, wenn man hier wohnt, die auch gleichzeitig Freundin, Mutter und Therapeutin sein kann, wenn man sich gut kennt. Allerdings darf man nie woanders die Früchte kaufen, sonst wird man verstoßen. Allgemein verbringt man insbesondere am Wochenende viel Zeit auf den zahlreichen und riesigen Märkten, die die Straßen der Stadt dann beherrschen schon alleine wegen der sozialen Kontakte. Man darf auch nicht nach Rabatt fragen, sondern nur nach "Yappa", also einer Zugabe am Ende wenn man viel gekauft hat. Nach weniger Geld für Früchte oder Gemüse zu fragen, hieße nämlich Pachamama, eine Art Hauptgöttin der Erde, zu beleidigen und ihre Erzeugnisse aus dem Boden. Vielleicht hat deswegen damals in Santa Cruz eine Cholita empört Franzi mit ihrem Obstkarren angefahren, nachdem sie gefragt hatte, ob man was am Preis machen könne. Als nächstes wurden wir in ein Hotel geführt, das noch nicht eröffnet hatte und vier Themenkorridore mit unterschiedlichen Kulturen und Bereichen Boliviens darstellte. Wir sollten bei Getränken auf der Dachterrasse unsere Meinungen dazu äußern und einige Fragen beantworten, was wir von einem Hotel erwarten würden. Fast eine Stunde dauerte der Besuch und er war natürlich komplett fehlangebracht in der Tour, für die wir ja sogar schon bezahlt hatten, da die Stadt La Paz wohl aus Steuergründen keine Free Walking Touren zulässt. Der Freund des Guides Max, der uns die Fragen gestellt hat, hat natürlich interessante Einschätzungen bekommen, wenngleich das Hotel viel zu teuer sein wird für die Backpackergruppe, die er vor sich hatte. Aber der Guide Max hat die Konsequenzen dieses Extratrips später bei den Trinkgeldern dann gespürt, die seiner Aussage nach "miserabel" ausgefallen waren. Wir hatten eigentlich das gegeben, was uns im Büro des Anbieters vorher empfohlen wurde, da der Rest der Tour gut war, aber es würde mich nicht wundern, wenn andere wegen der einstündigen Show, die wenig mit einer Stadtführung zu tun hatte, weniger oder nichts gegeben haben. Nachdem wir vor dem Parlament und dem Regierungssitz Boliviens noch einiges über die bewegte, präsidiale Geschichte gehört hatten, unterhielten wir uns nach der Tour noch mit einem Deutschen Pärchen, die auch an der Tour teilgenommen hatten. Janeene war auch sehr empört von der Verkaufsshow zwischendrin im Hotel und es war nicht ganz überraschend, dass sie auch an der HSBA studiert hatte, wie wir herausfanden, da ich den Pulli anhatte. Mit leider starken Kopfschmerzen verbrachten wir noch den Rest des Abends zusammen vor unserem Hostel in der Calle Jaén, wo ein Straßenfest herrschte, bei dem natürlich auch Mamani Mamani wieder herumlief. Wir tauschten uns über unsere Reisen aus. Bei den beiden wird es wirklich eine Weltreise inklusive fast aller Kontinente in einem Jahr, bevor es wieder nach München zur Arbeit geht. Nach diesem stressigen Tag waren wir sehr froh, dass wir einige erholsame Tage am Titicacasee verbringen konnten, wie ihr auch im Artikel "Urlaubsfeeling auf 4000 Meter Höhe" lesen könnt, ehe es zurück in das Chaos von La Paz ging. Auf dem erneuten Weg mit dem Téleferico zum Friedhof, von wo aus diesmal der Transport zum Titicacasee einwandfrei funktionierte, stellten wir noch frustriert fest dass heute natürlich schon Trufis nach Tiwuanaku fahren würden. Später stellte sich heraus, dass am Vortag ein Treffen aller Fahrer stattgefunden hatte und deshalb keiner fuhr. Eine Notiz am Büro war wohl zu viel verlangt. Und natürlich fahren sie eigentlich jeden Tag beteuerten die Fahrer. Nur halt nicht, wenn wir es brauchen. 

 

Dumm wie wir waren, kehrten wir nach unserer Rückkehr nach La Paz zurück zum Friedhof am frühen Morgen, um nach Tiwuanaku zu fahren. Aus dem Téleferico sahen wir schon den Trufi am richtigen Ort stehen und daher eilten wir über den Friedhof dort hin. Leider war die einzige andere Person dort der sehr unsympathische Verkäufer, der meinte dass es wohl in 30 oder 40 Minuten losgeht, wenn sich 8 bis 10 Kunden gefunden hatten. Wir warteten frustriert in seinem Büro, da wir heute extra früh dort sein wollten, und guckten genervt das Plakat mit einer halbnackten Frau an, das an seiner Wand hing. Nach 40 Minuten waren wir sechs Personen und ich beschwerte mich wann es losgeht. Er beschwichtigte, dass wir noch mehr Leute brauchen, aber längst war klar dass wir uns gegenseitig scheiße fanden. Nach 50 Minuten waren wir acht Personen, aber es ging immer noch nicht los. "Es kommen gleich noch zwei", hieß es. Außerdem seien wir "Öffentlicher Verkehr und kein Privattransfer", wurde mir erklärt. Ich entgegnete, dass sie "schlechter Verkehr" sind und vermittelte ihnen was ich von ihnen hielt, während ich den späteren Fahrer aus dem Weg rempelte. Dann ging es tatsächlich hoch nach El Alto, wo wir erstmal als zehntes Auto in einer Tankstellenschlange hielten. Das war der Moment wo es mir reichte und wir zusammen ausstiegen und zu Fuß von hier zum Terminal Interprovincial liefen, wo wir ein direkt abfahrendes Trufi fanden für den halben Preis. In Tiwuanaku trafen wir kurz nach dem anderen Trufi ein und buchten eine Spanische Tour mit einer Familie aus Santa Cruz, die auch im anderen Trufi waren und auch schockiert waren, dass der Fahrer erst noch tanken musste. Nachdem wir den etwa sechsfachen Eintrittspreis pro Person für die archäologische Stätte Tiwuanaku gezahlt hatten im Vergleich zu der Familie, konnte die Tour losgehen, für die uns die Führerin vermittelte, dass sie Rücksicht nehmen werde auf unsere mittelmäßigen Spanischkenntnisse. Leider war das nur bedingt der Fall, vermutlich auf Grund des Zeitdrucks, dadurch dass die andere Familie den selben Trufi schon wieder für die Rückfahrt bezahlt hatte und daher begrenzt Zeit hatte. Die erste halbe Stunde verbrachte ich also damit vor allem genervt zu sein. Danach konnte ich mich etwas mehr auf die Kultur konzentrieren, die hier bis höchstens 1500 gelebt hatte, als der Titicacasee noch 10 km weiter ins Land reichte bis zum heutigen Ort Tiwuanaku. Heute sind noch teilweise wiederaufgebaute Reste von drei Pyramiden zu sehen, die unterschiedliche Funktionen hatten. Am faszinierendsten waren drei Monolithen mit Schnitzungen, die Tiermotive aber auch einen Menschen darstellten, der Gegenstände in seinen zwei linken Händen hielt. Auch eine Ansammlung aus über einhundert Steinköpfen, die individuell geschnitzt waren, beeindruckte. Der größte Monolith stand in einem Museum neben der Ausgrabungsstätte. Es war interessant, reichte aber nicht an die Faszination der Moais auf der Osterinsel heran, auch wenn es ein Stück weit vergleichbar war. Die Keramikstücke, die auch noch teilweise gut erhalten sind, und alle weiteren Fundstücke könnten bis zu 2000 Jahre alt sein. Und auch davor lebten hier schon Menschen, auch wenn sie keine Kunst zurückließen. Nach der Tour suchten wir noch ein zweites Welterbe, nämlich einen von mehreren hundert Wegpunkten in Südamerika des Quechuawegs Qhapaq Ñan. Leider landeten wir nur auf dem Acker einer alten Frau, die uns nicht antwortete aber uns komisch ansah. Nach einem Check mit der Worldheritagesite.org Gruppe wurde mir gesagt, dass dieser Punkt vom Quechuaweg aus festgetretenem Boden und der Erzählung von alten Menschen besteht, dass hier mal so ein Weg existierte. Außerdem wäre es eher ein Areal und nicht die genaue Koordinate, die gemeint war. Dann muss ich in Peru nochmal einen sichtbareren Ort des Welterbes ansteuern. Wir schauten uns noch die Kirche der Stadt an, die die Spanier aus den Steinen von der archäologischen Stätte gabaut hatten, und fuhren dann mit einem Trufi zurück nach El Alto, das auch schnell losfuhr nachdem es nochmal hupend durch jede Straße der Stadt gefahren war. Wir willigten dem guten Preis von 10 Bolivianos ein, den uns der Fahrer gab, zahlten aber am Ende nur 7 pro Person, als wir sahen, dass alle anderen für die selbe Strecken eben diesen Preis bezahlten. Der Fahrer sagte nichts mehr dazu. Warum können nicht einfach Einheitspreise herrschen? Das ist so frustrierend. Die Fahrt von El Alto nach La Paz mit dem Téleferico war dafür umso schöner. Bei Abenddämmerung sahen wir das Tal voller Lichter unter uns, in das wir hineinschwebten.  Auch der vorherige Blick vom Altiplano aus dem Auto heraus war faszinierend. Die belebten Ziegelsteinbauruinen von El Alto sah man schon wie ein großes Meer aus über 50 km Entfernung schimmern und dahinter die schneebedeckten Berge- allen voran der Illimani, der wirklich massiv und riesig über dieser Metropolregion steht.  

 

Dass wir am nächsten Tag dachten, dass wir sterben könnten, hatte euch Franzi im Bericht "Uns geht´s gut" ja schon erzählt. Einen Arztbesuch, unabhängig vom Brand, den unsere Versicherung netterweise übernahm, was wir dem Arzt aber erst erklären mussten, hatten wir noch am Nachmittag. Von meiner Deutschen Versicherung habe ich eine App, die in Israel betrieben wird, die eine Klinik in Cuzco, Peru angefragt hat einen Arzt in unser Hotel in La Paz, Bolivien zu schicken. Sowohl der Arzt als auch wir waren etwas verwirrt von all diesen Schritten und zwei von vier Mal als wir einen Arzt bestellten, kam keiner. Leider beide Male wenn wir extra früh dafür aufgestanden sind. Die gute Nachricht ist, dass es uns gut geht und auch meine OP Wunde seit wir in der Kälte sind, gut verheilt ist. Abends ging es mit vier bunten, unterschiedlichen Seilbahnen mehr in den Süden der Stadt zu Cortneys Geburtstagsfeier, die uns netterweise eingeladen hatte. Wir hatten Cortney und Ulrich in der Pampa getroffen gehabt. Wir machten sie, obwohl sie erst am folgenden Montag wirklich Geburtstag haben wird, mit einem Wein und Käse glücklich und unterhielten uns vor allem nett mit Ulrich über alles mögliche. Wir dürfen sogar bei seiner Mutter in Kolumbien wohnen, wenn wir es erstmal bis dahin geschafft haben. Außerdem trafen wir noch Cortneys jungen Sohn Malek, der schon einen aufgeweckten Eindruck machte, aber leider nicht mit mir Deutsch reden wollte, obwohl er auf der Deutschen Schule ist und das Sendung mit der Maus Kochbuch auf Deutsch hatte. Auch die Deutschen Salatschüsselchen sprangen uns ins Auge, die von Cortneys Oma aus Deutschland stammen, wie wir uns schon gedacht hatten. Malek weinte leider, als ihn seine junge Tante in die Torte schubste und er die Torte u.a. in der Nase hatte. Kurz nach dieser Tradition durfte er dann aber glücklich noch ein Stück essen. Ansonsten war die Party ähnlich wie eine Deutsche Party. Wir waren mit einer Stunde Verspätung die ersten und die vermutlich letzte kam kurz nach Mitternacht, kurz bevor wir wieder gingen. Ich war der einzige der nichts getrunken hat, was unhöflich rüber kommen kann, wie mir erklärt wurde, als ich einen Jägermeister Shot ablehnte. Ansonsten war es aber sehr herzlich und wir konnten uns gut auf Deutsch, Englisch oder Spanisch mit den unterschiedlichen Leuten unterhalten. Als alle langsam anfingen am Feuer zu Latinomusik zu tanzen, verabschiedeten wir uns, da wir trotz Mittagsschlaf sehr müde waren. Ein Uber brachte uns sicher und schnell durchs nächtliche La Paz wieder zu unserer Unterkunft, die uns netterweise aufmachte. 

 

Auch am nächsten Tag klappten die Dinge nicht so, wie wir sie uns vorgestellt hatten bzw. Wie insbesondere ich sie mir vorgestellt hatte. Das La Paz Derby stand an, in dem Bolivar La Paz in Blau-Schwarz zuhause versuchen wollte den Spitzenreiter der ersten Liga The Strongest aus La Paz zu bezwingen. So ein Stadtderby in Südamerika wollte ich natürlich mitnehmen und nachdem uns versichert wurde, dass es freundlich sein würde und nicht zu gefährlich für Gringos, machten wir uns rechtzeitig auf zum Stadion. Die Avenida Busch über die wir mit dem Téleferico schwebten, war schon wieder voll mit einer Parade. Hatten wir eigentlich schonmal erwähnt, dass Bolivianer Feiertage und Paraden lieben? Ob Samaipata, Sucre, Potosí oder La Paz- überall liefen Tänzer über die Straße begleitet von lauter und geordneter Musik des Spielmannszugs mit lauten Trommelschlägen und Blasmusik. Nach dem Ausstieg aus dem angenehmen Transportmittel arbeiteten wir uns durch Paradenteilnehmer, Zuschauer und Fußballfans auf dem Weg zum Stadion Hernando Siles, das als Heimstätte für beide Vereine dient so wie auch für die Nationalmannschaft wie uns ein älterer The Strongest Fan in der Gondel berichtet hatte. Hier habe man schon Brasilien und Argentinien geschlagen. Kein Wunder bei der ungewohnt dünnen Luft für die Auswärtsmannschaft. Nur in Quito ist es für die Fußballschwergewichte wohl ähnlich schwer auswärts. Am großen Stadion stellte sich dann relativ schnell heraus, dass es schwierig wird das Spiel im Stadion zu sehen. Die Leute die sonst rufen, dass sie Tickets verkaufen würden, riefen diesmal dass sie gerne Tickets kaufen würden. Niemand sprach uns an, ob wir ein Ticket kaufen würden. Normalerweise hätten wir gedacht, dass wir gern gesehene Kunden sind, um überteuerte Karten zu kaufen. Aber nicht heute beim Derby. In Potosí waren noch ganz andere Umstände als wir ein Spiel im Stadion schauten, bei dem fast niemand zu Besuch war. Hätten wir an die 30€ pro Karte zahlen wollen, hätten wir später doch noch bei jemandem Tickets für hinter dem Tor kaufen können. Aber wir hatten absichtlich etwas weniger als 30€ dabei, was gereicht hätte für die offiziellen Eintrittskarten. So suchten wir nach einem Pub, um das Spiel zumindest im Fernsehen zu sehen. Letztlich wurde es ein maues Chinesisches Restaurant mit Fernseher, in dem sich nur Fußballfans versammelt hatten und in dem es die kurioseste Süß-Saure Sauce meines Lebens zu essen gab. Sie glich eher künstlicher Erdbeersauce. Immerhin konnten wir hier beobachten wie Bolivar The Strongest auseinandernahm und so die Liga wieder spannend machte.  

 

Bevor wir in die Cordillera Real fuhren, um zumindest einen Teil der Wanderung zu absolvieren, versuchten wir in La Paz nochmal unsere Kamera zu reparieren. Der erste Ansprechpartner sagte uns, dass die Reparatur vielleicht in Santa Cruz ginge. Dort hatten sie uns gesagt, dass es vielleicht in La Paz ginge. In La Paz gibt es keine großen Markengeschäft wie MediaMarkt für Elektronik, sondern einzelne Händler, die alle in bestimmten Straßen angesiedelt sind, verkaufen immer ähnliche Produkte. Daher hat aber auch jeder nur die selben generalistischen Produkte, und nicht die Ersatzteile für die Linse, die wir benötigen. Wir fanden wieder jemanden, der meinte dass er das Ersatzteil bestellen könne, aber mindestens zwei Wochen benötigen würde. Die Zeit hatten wir aber nicht mehr. Immerhin schlürften wir den ein oder anderen günstigen Fruchtsaft zwischendurch und hatten tolle Blicke über Straßenverkaufsstände mit dem Illimani im Hintergrund. Auch waren wir kurz auf dem Mercado de las Brujas, also dem Hexenmarkt. Hier kann man alles für eine Mesa (Tisch) kaufen, der verbrannt wird für Glück zum Beispiel beim Häuserbau. Entscheidend dafür sind die Föten der Lamas, die hier vielfach verkauft werden und nicht ganz günstig sind. Angeblich sind sie alle natürlich gestorben, wenn das Lama sie abstößt, da es Nahrungsmangel gibt, was wohl häufig vorkommt. So ganz glauben konnten wir das bei der großen Anzahl aber nicht. Angeblich werden auch teilweise immer noch Menschen geopfert für Pachamama bei einem Häuserneubau. Das ist ein urbaner Mythos, aber wer weiß was man unter der neueren Gebäuden so findet. 

 

Nach unserer Rückkehr von der Wanderung besuchten wir noch ein sehr touristisches wenngleich beliebtes Event. In El Alto hatten sich alle Gringotouristen der Stadt- zumeist durch eine Tour, wir haben es erfolgreich selber gefunden- eingefunden, um den Cholitas beim Wrestling zuzusehen. Ich habe Wrestling noch nie verfolgt, weiß aber aus der Vergangenheit, dass es ein Showkampf ist. Wir nahmen mit Popcorn und Cola um einen Ring Platz wie die anderen Gäste und verfolgten die Stimmung, die durch den Ansager gemacht wurde, solange sein Mikrofon ging. Alles wirkte immerhin semi-professionell. Erst kämpften zwei Männer gegeneinander, wobei es durchaus brutal zuging. Einer wurde an den Haaren durchs Publikum gezogen bevor er Bier ins Gesicht gespuckt bekame. Die Franzosen hinter uns vorderten "Sangre" (Blut) und dass der Schiri und der Gegner getötet werden. Was ich als ironische Bemerkungen auffasste, nahm Franzi als zu viel war. Nach den Männern kamen die ersten beiden Cholitas, die deutlich jünger waren als gedacht, in ihren Trachten in den Ring und kämpften genauso wild wie die Männer immer mit Anstachelung des Publikums. Sie machten die selben Moves wie ihre männlichen Kollegen. Beim zweiten Cholitakampf wurde der Schiri dann parteiisch und trat die Cholita, die gerade gewann, damit sie ebendas nicht tut. Am Ende gewann sie den Showkampf dennoch und der Schiri sowie die Gegenerin waren die Buhmänner. Eben jener Schiri kämpfte dann im letzten Auftritt gegen eine ältere Cholita und verlor natürlich. Schon etwas merkwürdig zu sehen wie zwei Männer (Kämpfer und Schiri) die Frau vermeintlich schlugen und traten, aber immerhin gewann sie am Ende und es waren natürlich auch keine echten Schläge. Franzi fühlte sich unterhalten, das Publikum war gut dabei nur mich machte die ganze Aktion irgendwie aggressiv und ungemütlich. Vielleicht mag ich Wrestling einfach nicht. Auch den Markt in El Alto, den wir besuchen wollten und der donnerstags riesig ist, verpassten wir. Immerhin konnten wir das Ausmaß vom Téleferico noch sehen.  

 

Unser letzter Tag in La Paz führte uns nochmal zu Cortney und Ullrich, die für uns ein Brunch zubereitet hatten. Malek sprach ein paar Worte Deutsch mit uns und abends gingen wir zu Fuß ins Stadtzentrum, wo natürlich eine Parade stattfand- wohl von den Universitäten- die wie beim Straßenkarneval mit Tribünen umgeben war. Wir entschieden schlauerweise uns zu verabschieden und brauchten 45 Minuten bis uns die Polizei ermöglichte die Straße und damit die Parade zu durchqueren. So hatten wit zum Glück gerade noch genug Zeit in den besten Reisebus, den wir in Bolvien erlebt hatten, einzusteigen, der uns über Nacht nach Uyuni brachte. 

 

 

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